Ein kurzer Rück- und Ausblick

Streitigkeiten zwischen abhängig Beschäftigten und ihren Arbeitgebern, die in einem gerichtlichen Verfahren zu klären sind, gab es mit Beginn und Weiterentwicklung der gewerblichen und industriellen Produktion seit Beginn des 19. Jahrhundert.

Die allgemeine Entwicklung von 1806 bis zur Weimarer Republik

Vorbild und Auslöser für die Entwicklung einer Sondergerichtsbarkeit für Streitigkeiten zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern war die im Jahr 1806 in Lyon (Frankreich) erfolgte Gründung eines Rates der Gewerbesachverständigen. Diese Einrichtung verbreitete sich bis in das Rheinland, auch nachdem es unter preußischer Verwaltung stand.

Die Parteien hatten persönlich zu erscheinen, die Verhandlungen waren mündlich und gliederten sich in das Verfahren vor der Vergleichskammer und des Hauptbüros.

Die Richter wurden durch die Arbeitgeber und Arbeitnehmer gewählt. Allerdings waren Arbeiter nur wahlberechtigt, wenn sie mindestens drei bis vier Taler sogenannte Klassensteuer zahlten, was letztlich die Fabrikarbeiter mit einer geringeren Steuerpflicht vom Wahlrecht ausschloss.

Darüber hinaus war aus dem Fabrikkantenstand jeweils ein Richter mehr als aus dem der Arbeiter im Gericht vertreten. Der Vorsitzende des Gewerbegerichts und sein Stellvertreter wurden zwar von allen Richtern gewählt, mussten aber aus dem Kreis der Arbeitgeber stammen.

Trotz der in Preußen seit Februar 1849 bestehenden Möglichkeit, Gewerbegerichte einzurichten, lag überwiegend die Arbeitsrechtspflege in der Zuständigkeit der ordentlichen Justiz, d.h. der Zivilgerichte.

Dies änderte sich erst mit der Einführung des Gewerbegerichtsgesetzes aus dem Jahr 1890. In Gemeinden mit mehr als 20 000 Einwohnern waren Gewerbegerichte für die Streitigkeiten zwischen gewerblichen Arbeitnehmern und ihren Arbeitgebern und zwischen Arbeitnehmern aus dem selben Betrieb zu errichten.

Das Kaufmannsgerichtsgesetz von 1904 sah die Schaffung von Kaufmannsgerichte für Streitigkeiten zwischen Kaufleuten und ihren Handlungsgehilfen vor. Diese Gerichte waren in den meisten Fällen den Gewerbegerichten angegliedert.

Bei allen übrigen Arbeitnehmern, d.h. denjenigen, die weder dem gewerblichen noch dem kaufmännischen Bereich abhängig beschäftigt waren, wie z. B. Hausgehilfen, Landarbeiter oder Angestellte mit höheren Einkommen, bestand weiterhin die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte fort. Zudem war die ordentliche Gerichtsbarkeit Rechtsmittelinstanz für die Gewerbe- und Kaufmannsgerichte, allerdings erst ab einem – selten erreichten - Streitwert von 100 Mark.

Das Gewerbegerichtsgesetz von 1890 sah die „Neutralität“ des Vorsitzende und seiner Stellvertreter vor. Sie durften weder Arbeitgeber noch Arbeiter sein. Sie wurden durch den Magistrat oder die Gemeindevertretung für mindestens ein Jahr gewählt.

Darüber hinaus hatte jedes Gewerbegericht noch vier Beisitzer, je zwei von Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite. Das Gericht verhandelte in dreiköpfiger Besetzung mit dem Vorsitzenden und je einem ehrenamtlichen Richter von Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite. Die Parität von Arbeitgeber und Arbeitnehmer war erstmals verwirklicht, das auch heute noch geltende Kammerprinzip verankert.

Gewerbe- und Kaufmannsgerichte verbreiteten sich rasch in Deutschland. Die Verfahrensgrundsätze und ihr Ziel, ein schnelles und dennoch gründliches Verfahren zu gewährleisten, sind noch heute das Gerüst der Regelungen über das erstinstanzliche Verfahren in der Arbeitsgerichtsbarkeit.

Die Weimarer Republik

Das Arbeitsgerichtsgesetz von 1926 beseitigte die Zersplitterung der gerichtlichen Zuständigkeiten für die Entscheidungen von Arbeitsrechtsstreitigkeiten in Deutschland und schuf in der ersten Instanz selbständige Arbeitsgerichte. Diese entschieden durch Kammern, besetzt mit einen Vorsitzenden sowie je einem Beisitzer von Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite.

Sowohl Berufungs- als auch Revisionsinstanz war in die ordentliche Gerichtsbarkeit (Landgericht, Reichsgericht) eingegliedert, in der aber ebenfalls die ehrenamtlichen Richter paritätisch in der Berufungskammer bzw. dem Revisionssenat vertreten waren.

Die Arbeitsgerichte wurden für den Bezirk entweder eines oder mehrerer Amtsgerichte eingerichtet und waren dort auch räumlich untergebracht. Die Verwaltungsgeschäfte und die Dienstaufsicht wurden durch die Landesjustizverwaltung im Einvernehmen mit der obersten Landesbehörde für Sozialverwaltung wahrgenommen.

Zu Vorsitzenden mussten sogenannte „Rechtsgelehrte Richter“ ernannt werden. Dies waren in der Regel Richter der ordentlichen Gerichtsbarkeit.

Trotz dieser Einbindung in die ordentliche Gerichtsbarkeit gab es wegweisende Regelungen:

  • der durchgängig dreistufige Aufbau der Arbeitsgerichtsbarkeit,
  • die Unterscheidung zwischen Urteils- und Beschlussverfahren,
  • die grundsätzlich für den Zugang zur Berufungs- und Revisionsinstanz erforderliche Zulassung von Rechtsmitteln.

Die Zeit des Nationalsozialismus

Die nationalsozialistische Ideologie einer konfliktfreien „Betriebsgemeinschaft“ sah Rechtsstreitigkeiten zwischen dem „Betriebsführer“ und dem „Gefolgschaftsmitglied" als unerwünscht an. Als erste Maßnahme wurden politisch unliebsame Berufs- und ehrenamtliche Richter aus den Ämtern entfernt und jeglicher gewerkschaftlicher Einfluss auf die Arbeitsgerichtsbarkeit unterbunden. Die „Deutsche Arbeitsfront“ kanalisierte den Zugang sowohl zum gerichtlichen Verfahren als auch zu der Berufung der Beisitzer. Daneben wurde eine sogenannte „soziale Ehrengerichtsbarkeit“ aufgebaut, die der Ausübung eines Gesinnungsstrafrechts zur Disziplinierung und Überwachung von Arbeitnehmern diente.

Die Entwicklung nach 1945

Arbeitsgerichte waren zunächst beseitigt, Entscheidungen in Arbeitsrechtssachen den ordentlichen Gerichte (Amtsgerichte) zugewiesen. Das Kontrollratsgesetz Nr. 21 errichtete Arbeitsgerichte und Landesarbeitsgerichte als selbständige Gerichte. Unterstellt waren diese den Provinz- oder Landesarbeitsbehörden. Die Arbeitsgerichtsbarkeit wurde damit organisatorisch auch auf der Ebene der Gerichtsverwaltung aus der ordentlichen Gerichtsbarkeit ausgegliedert und von ihr getrennt.

Die Vorsitzenden der Arbeitsgerichte und deren Stellvertreter wurden jeweils auf die Dauer von drei Jahren bestellt. Sie brauchten nicht Berufsrichter zu sein, sie mussten aufgrund ihrer bisherigen Tätigkeit besonders erfahren in Arbeitsrechtsangelegenheiten sein. Auch bei den Berufungsgerichten bedurfte es nur einer dem Volljuristen entsprechenden juristischen Befähigung. Bei der Bestellung der Vorsitzenden waren Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände beteiligt. Nach und nach wurden die Berufsrichter dadurch unabhängig, dass sie zu Beamten auf Lebenszeit ernannt wurden und nur die Bestellung zum Vorsitzenden oder stellvertretenden Vorsitzenden bei mehreren Kammern eines Arbeitsgerichtes auf drei Jahre erfolgte.

Grundlage des arbeitsgerichtlichen Verfahrens war das Arbeitsgerichtsgesetz von 1926. Auch waren wieder Zuständigkeiten der neuen Arbeitsgerichte für kollektivrechtliche Streitigkeiten vorgesehen.

1953 trat ein neues Arbeitsgerichtsgesetz in Kraft.

Die Arbeitsgerichtsbarkeit wurde durchgängig dreizügig als selbständige Gerichtsbarkeit aufgebaut und sowohl auf Landes- als auch Bundesebene jeweils der obersten Arbeitsbehörde (sprich Arbeitsministerium) unterstellt. Allerdings sah es bei der Ernennung der Richter sowie bei der Verwaltung und Dienstaufsicht vor, dass die Arbeitsbehörden im Einvernehmen mit den Justizverwaltungen auf Landes- und Bundesebene handelten.

Das Bundesarbeitsgericht nahm seine Arbeit für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland im April 1954 auf. Es hatte seinen Sitz in Kassel, nach der Wiedervereinigung wurde er nach Thüringen verlegt. Von 1994 an fanden Sitzungen des Bundes­ar­beitsgerichts in Erfurt statt. Seit 19. März 1996 ist gesetzlich sein Sitz in Erfurt. Die endgültige Verlegung fand am 22. November 1999 nach Fertigstellung des neuen Dienstgebäudes des Bundesarbeitsgerichtes statt.

In der ersten Instanz konnte derjenige Richter werden, der sich durch längere, mindestens fünfjährige Tätigkeit in der Beratung arbeitsrechtlicher Angelegenheiten und in der Vertretung vor Arbeitsgerichten umfassende Kenntnisse und Erfahrungen im Arbeitsrecht erworben hatte, also z. B. Rechtssekretäre der Gewerkschaften oder Vertreter der Arbeitsgeberverbände. Erst 1961 war auch in der ersten Instanz die Befähigung zum Richteramt, d. h. ein Abschluss als sog. „Volljurist“ erforderlich.

In allen übrigen Instanzen mussten die Berufsrichter die Befähigung zum Richteramt haben.

Rechtsanwälte durften grundsätzlich erst bei Streitwerten über 300,00 DM Parteien vor Gericht vertreten, da in diesen Fällen auch Berufung möglich war. Die Regelung hatte ebenso wie diejenige des Ausschlusses der Erstattung von Rechtsanwaltskosten in der ersten Instanz den Sinn, das Kostenrisiko für Arbeitnehmer vor Gericht zu minimieren und sie nicht davon abzuhalten, ihre Rechte auch gerichtlich durchzusetzen. Die Parteien konnten ansonsten selbst auftreten oder sich z. B. durch Gewerkschaft oder Arbeitgeberverband vertreten lassen.

Die letzte grundlegende Veränderung erfolgte durch die Verkündung des Gesetzes zur Beschleunigung und Bereinigung des arbeitsgerichtlichen Verfahrens am 23. Mai 1979. Ziel war die Konzentration des Verfahrens erster Instanz auf möglichst einen (Kammer-)Termin, die Beschleunigung von Kündigungsschutzverfahren, die Entlastung des Rechtsmittelrechts und die Straffung des Beschlussverfahrens.

Im übrigen können sich die Parteien seitdem uneingeschränkt von Rechtsanwälten vor dem Arbeitsgericht vertreten lassen. Bei dem Ausschluss der Erstattung außergerichtlicher Kosten in der ersten Instanz ist es geblieben.

Den Ländern wurde durch die Möglichkeit eingeräumt, sogenannte Rechtspflegeministerien einzurichten, d.h. die Arbeitsgerichtsbarkeit den Justizministerien zu unterstellen. Durch das Arbeitsgerichtsbeschleunigungsgesetz 2000 wurde das bis dahin noch erforderliche Einvernehmen zwischen den betroffenen obersten Landesbehörden (Arbeitsministerien und Justizministerien) in allen Fragen der Einrichtung, Organisation, Verwaltung und Dienstaufsicht beseitigt, es ist nunmehr ausschließlich das Landesministerium zuständig, welchem die Arbeitsgerichtsbarkeit zugeordnet ist. In den neuen Bundesländern Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen und Mecklenburg-Vorpommern wurden von Anfang an einheitliche Rechtspflegeministerien geschaffen. Baden-Württemberg, Bremen, Hessen, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz und seit Juni 1998 auch Nordrhein-Westfalen haben die Arbeitsgerichtsbarkeit jeweils der Landesjustizverwaltung zugeordnet. 

Die Arbeitsgerichtsbarkeit in der ehemaligen DDR

Auf dem Gebiet der früheren DDR galt zunächst auch das Kontrollratsgesetz Nr. 21. Nach Abschaffung der Länder wurde auch die Justiz in der DDR 1952 vereinheitlicht. An die Stelle der Arbeitsgerichte traten die Kreisgerichte mit Arbeitsrechtskammern, die Bezirksgerichte mit entsprechenden Arbeitsrechtskammern  waren Berufungsinstanz. Dritte Instanz war das Oberste Gericht der DDR.

Angesichts eines ohnehin nur geringen Arbeitsanfalles waren die Berufsrichter in der Regel auch in anderen Zivilsachen eingesetzt. Für die Tätigkeit als Arbeitsrichter war eine besondere Ausbildung nicht erforderlich, es genügten einschlägige Rechts­kenntnisse und der vorbehaltlose Einsatz für die Ziele der DDR und den Aufbau des Sozialismus. Schöffen waren nur Arbeitnehmer. In dieser Form wurden Arbeitsrechtssachen bis zum 3. Oktober 1990 behandelt.

Danach galt das Arbeitsgerichtsgesetz 1979. Bis zum Aufbau einer eigenständigen Arbeitsgerichtsbarkeit, die in allen neuen Bundesländern zwischenzeitlich abgeschlossen ist, blieben die Kreis- und Bezirksgerichte zuständig.